UdSSR 1924

Regie: Yakov Protazanov
Buch: Aleksei Fajko, Fyodor Otsep nach dem Roman von Aleksei Tolstoy
Bildgestaltung: Emil Schünemann, Yuri Zhelyabuzhsky
Ausstattung und Kostüme: Alexandra Exter, Isaak Rabinovich
Produktion: Mezrabpom-Rus
Musik: Ensemble Vandel
DarstellerInnen: Yuliya Solntseva, Igor Ilyinsky, Nikolai Tsereteli, Konstantin Eggert

111 Minuten

stumm (deutsche Zwischentitel)
Live begleitet von Ensemble Vandel

FSK: ab 12

Festivals & Preise:
Weltausstellung Paris 1925: Preis für die künstlerische Gestaltung



Аэлита
Aelita – Der Flug zum Mars

Für die mittlerweile sechste Kooperation zwischen Ensemble Vandel und dem Guckloch-Kino haben wir wieder einen ganz besonderen Film ausgesucht: Einen sowjetischen Science-Fiction-Stummfilm.

Nach dem weltweiten Empfang eines mysteriösen Funkspruchs erkennt der Moskauer Ingenieur Loss, das dieser vom Mars kommen müsse und setzt sich erfolgreich für den Bau eines Raumschiffs ein. Unterdessen gelingt der marsianischen Prinzessin Aëlita durch ein gigantisches Teleskop ein Blick auf Loss, worauf sie sich in diesen verliebt. Aëlitas Vater, der Tyrann Tuskub regiert den Mars als grausamer Herrscher einer Sklavenhalter-Gesellschaft. Tuskubs Versuch, das Raumschiffs vor der Landung abzuschießen wird jedoch von Aëlita verhindert. Kosmonaut Gussew hält vor den Sklaven eine flammende Rede, nach der es zur Revolution gegen Tuskub kommt. Den Sturm der Sklaven auf den futuristischen Palast inszeniert der Film dabei bewusst als Parallele zum Sturm auf das Petersburger Winterpalais. Loss und Aëlita werden ein Paar, die russische Expedition hat nicht nur die Revolution, sondern auch die Liebe auf unseren Nachbarplaneten gebracht. Doch bald schon tritt Aëlita in die Fußstapfen ihres Vaters und stellt die alte Ordnung wieder her.
Yakov Protazanov hatte bereits vor dem Ersten Weltkrieg zahlreiche Filme im zaristischen Russland gedreht, war aber 1917 ins französische Exil geflohen. Im Zuge von Lenins neuer Politik nach dem Ende des Bürgerkriegs kehrte er nach Russland zurück. Die Handlung von Aelita, seinem ersten Film nach der Rückkehr, ist 1921 angesiedelt, in einer Parallelhandlung werden die Schwierigkeiten und die Armut am Ende des Bürgerkriegs gezeigt.
Zur Premiere von Aelita im September 1924 hatte die Produktionsfirma eine gigantische Werbekampagne gestartet, unter anderem wurden aus Flugzeugen über Moskau Flugblätter abgeworfen, an der Kinofassade hatte man gigantische Figuren von Aëlita und Tuskub angebracht. Dementsprechend war der Ansturm des Publikums auf die Kinos. Doch bereits ein Jahr später drehte sich die Ideologie mit dem beginnenden Stalinismus und Aelita verschwand komplett aus den Kinos. Seit den 1970er Jahren kursierte der Film in einer um 30 Minuten gekürzten Fassung in westlichen Ländern, die vollständige Fassung ist erst seit Kurzem wieder verfügbar.

Der Film wird als einzigartiges Zeitdokument der sowjetischen Revolutionszeit bewertet und gilt auch aus filmhistorischer Sicht als sehr bedeutsam, da er einen richtungsweisenden Einfluss auf die Entwicklung des Genres der Science-Fiction in Theater und Film nahm und heute auch thematisch als erster Film seines Genres überhaupt gilt.
 

Richard Hehn
Villingen
Freitag, 15. November 2024
20:15 Uhr
keine Vorstellung