DDR 1966

Regie: Frank Beyer
Buch: Karl Georg Egel, Frank Beyer nach dem Roman von Erik Neutsch
Bildgestaltung: Günter Marczinkowsky
Montage: Hildegard Conrad-Nöller
Produktion: DEFA-Studio für Spielfilme
Musik: Wolfram Heicking, Hans Kunze
DarstellerInnen: Manfred Krug, Krystyna Stypulkowska, Eberhard Esche, Ingeborg Schumacher

134 Minuten

FSK: ab 6

Deutsche Originalfassung



Spur der Steine

Heute, fast 60 Jahre nach seiner Uraufführung, darf Spur der Steine als einer der wichtigsten deutschen Nachkriegsfilme gelten – nicht nur der DDR, sondern prinzipiell. Wie kaum ein anderer Film bringt er das Lebensgefühl und die Konflikte des „realsozialistischen“ Alltags Mitte der 1960er Jahre auf den Punkt – zwischen Auf- und Ausbruch.

Während sich Parteisekretär Werner Horrath vor der Parteileitung wegen „politisch-ideologischen Versagens“ verantworten muss, erzählt der Film in einer einzigen großen Rückblende die Ereignisse auf einer Großbaustelle ein Jahr zuvor. Fast zeitgleich kommen der Parteisekretär und die junge Ingeneurin Kati zur Leitung der Baustelle, wo sie auf den Vorarbeiter Hannes Balla (Manfred Krug) treffen und in Konflikt mit ihm geraten. Balla ist der ungekrönte König der Baustelle, seine Brigade steht hinter ihm wie ein Mann. Was die Bauleitung vermasselt, rückt er auf seine anarchistische Weise wieder gerade, um fehlendes Material zu beschaffen, gehen sie eigene, unkonventionelle Wege. Die Konfrontation zwischen Balla und Horrath scheint unausweichlich, was auch noch dadurch befeuert wird, dass beide um die Gunst der jungen Ingenieurin buhlen. Doch dieser gelingt es, die beiden Kontrahenten für die gemeinsame Sache zu versöhnen – zum Vorteil aller drei und dem Gelingen des Bauprojektes.

»So kritisch hat bisher kein DEFA-Film das Wirken der Partei mit ihren Widersprüchlichkeiten gezeigt.« schrieb ein westdeutsche Filmkritiker bereits 1966. Und so war dem Film in gewisser Weise genau jenes Schicksal beschieden, welches er in seiner Handlung thematisierte: Der Ausbruchsversuch aus den Fesseln der sozialistischen Bürokratie wird schon bald von ebendieser schonungslos beendet. Die Lieder, die Wolf Biermann für den Film geschrieben hatte, mussten schon vor der Fertigstellung wieder entfernt werden, als der Liedermacher in Ungnade fiel. Zwei Wochen nach der Festivalpremiere in Potsdam kam der Film am 1. Juli 1966 noch in die Kinos der DDR, doch drei Tage später wurde das Experiment beendet und der Film verboten.
Und dass das ikonisch gewordene Szenenfoto der Maurer-Brigade beim Einmarsch auf die Baustelle an den Western Die glorreichen Sieben (1960) erinnert, ist natürlich kein Zufall.

Richard Hehn


Donaueschingen
keine Vorstellung
Montag, 18. November 2024
20:15 Uhr