Palästinensische Autonomiegebiete, Norwegen 2024

Regie, Buch, Kamera & Schnitt: Basel Adra, Yuval Abraham, Hamdan Ballal, Rachel Szor
Musik: Julius Pollux Rothlaender
Produktion: Fabien Greenberg, Bård Kjøge Rønning
Mitwirkende: Basel Adra, Yuval Abraham

92 Minuten

FSK: ab 16

 

Festivals & Preise:
Berlinale 2024: Panorama-Publikumspreis, Bester Dokumentarfilm,
zahlreiche weitere Preise auf internationalen Festivals

Original (arabisch, hebräisch)
mit deutschen Untertiteln



No Other Land

Der israelische Journalist Yuval Abraham und sein palästinensischer Kollege Basel Adra leben nur 30 Minuten voneinander entfernt, doch ihre Lebenswirklichkeiten könnten kaum unterschiedlicher sein. Yuval kann Basel in dessen Heimatort Masafer Yatta besuchen, umgekehrt ist dies für Basel unmöglich. Seit 2019 sind die beiden befreundet, seit 2020 arbeiteten sie an diesem gemeinsamen Dokumentarfilm über Basels Heimatort. Zusammen mit zwei weiteren palästinensisch/israelischen RegisseurInnen stellten sie den Film im Oktober 2023 fertig und zeigten ihn erstmals bei der Berlinale 2024 vor Publikum.
Masafer Yatta im Westjordanland wurde schon 1977 von der israelischen Armee als Truppenübungsplatz deklariert, seither kämpfen die Bewohner von 19 Dörfern gegen ihre Vertreibung. Doch No Other Land dokumentiert nicht nur diesen Widerstand, sondern auch die Freundschaft der beiden Filmemacher, die sich immer wieder über ihre so unterschiedlichen Lebenswege unterhalten.
Die Aufführung des Films bei der Berlinale und insbesondere die Auszeichnung mit zwei Filmpreisen sorgte für einen Eklat. Basel Adra sagte bei der Preisverleihung, es falle ihm schwer, den Preis zu feiern, während Tausende seiner Landsleute im Gazastreifen massakriert werden. Beide Regisseure forderten einen Waffenstillstand und die sofortige Freilassung der Hamas-Geiseln. Der im Publikum anwesenden Ministerin Claudia Roth wurde anschließend vorgeworfen, nicht in die Preisverleihung eingegriffen zu haben. Ebenso wie der Berliner Bürgermeister Wegner hatte sie bei der Preisverleihung applaudiert, rechtfertigte sich jedoch kurz darauf, ihr Applaus habe nur dem israelischen Filmemacher, nicht jedoch seinem palästinensischen Kollegen gegolten. Wegner hingegen forderte, die Festival-Leitung müsse »sicherstellen, dass sich solche Vorfälle nicht wiederholen«, ließ allerdings offen, ob er dies (wie andere) auch generell auf die Vorführung des Films beziehe oder nur auf die Preisverleihung. Politiker diverser Parteien forderten darüber hinaus, die Finanzierung des Festivals durch den Bund zu überdenken, denn hier habe sich »wieder einmal gezeigt, dass die deutsche Kulturszene und insbesondere die Berlinale ein riesiges Antisemitismusproblem hat«.

Im Anschluss an die Filmpremiere (also noch vor der umstrittenen Preisverleihung) sagte Abraham vor dem Publikum: »Basel und ich sind im selben Alter, ich bin Israeli, er ist Palästinenser. Und in zwei Tagen werden wir in ein Land zurückgehen, wo wir nicht gleichberechtigt sind. Ich lebe unter Zivilrecht, Basel unter Militärrecht. Wir leben 30 Minuten voneinander entfernt: ich habe das Wahlrecht, Basel nicht. Ich habe die Freiheit hinzugehen, wohin ich will, Basel ist wie Millionen andere Palästinenser eingesperrt in den besetzten Gebieten. Diese Situation von Apartheid zwischen uns, diese Ungleichheit, sie muss enden. Und wir fragen, wie wir einen Wandel erreichen, um die Besatzung zu beenden, um eine politische Lösung zu erreichen.«

Nach Morddrohungen aus der radikalen Siedlerbewegung kehrte er jedoch nicht direkt nach Israel zurück und sagte über den „Berlinale-Skandal“: »Auf deutschem Boden als der Sohn von Holocaust-Überlebenden zu stehen und zu einem Waffenstillstand aufzurufen – und dann als antisemitisch gekennzeichnet zu werden, ist nicht nur empörend, es bringt auch jüdisches Leben in Gefahr. [...] Ich weiß nicht, was Deutschland mit uns versucht. Wenn das die Art ist, wie Deutschland mit seiner Schuld um den Holocaust umgeht, machen sie diese bedeutungslos.«

Ob den Filmemachern bei ihren Auftritten in Deutschland die Verwendung hierzulande „diskreditierter“ Ausdrücke – „Apartheid“ (Abraham über die Besetzten Gebiete) oder „massacred and slaughtered“ (Adra über die Toten im Gazastreifen) bewusst war, sei dahingestellt. Dass sie damit jede Diskussion über den Inhalt ihres Films in Deutschland unmöglich gemacht haben, ist bedauerlich – auch wenn es möglicherweise sowieso unvermeidlich war.

Richard Hehn
Villingen
Mittwoch, 15. Januar 2025
20:15 Uhr
Montag, 13. Januar 2025
20:00 Uhr