Vena ist die Diplom-Abschlussarbeit von Chiara Fleischhacker an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Schon ihr Drehbuch hatte 2022 den Thomas-Strittmatter-Drehbuchpreis erhalten (benannt nach dem aus St. Georgen/Schwarzwald stammenden, früh verstorbenen Autor) und im Jahr zuvor den Caligari-Förderpreis zuerkannt bekommen.
Und nun also der fertige Spielfilm. Die Regisseurin erzählt die Geschichte von Jenny und Bolle, einem jungen Paar Ende zwanzig. Beide sind drogenabhängig. Sie leben in prekären Verhältnissen von dem Geld, das Bolle als Montagearbeiter heimbringt. Der regelmäßige Konsum von Crystal Meth gehört zum Alltag. Jenny ist im ständigen Konflikt mit Jugendamt und Justiz – sie hat bereits einen sechsjährigen Sohn, der weitgehend bei ihrer Mutter lebt, und wurde zu einer Haftstrafe verurteilt, die sie demnächst antreten soll.
Nun ist Jenny erneut schwanger, diesmal von Bolle, und das werdende Kind löst bei ihr widersprüchliche Gefühle aus. Als ihr das Jugendamt mit Marla eine Familien-Hebamme schickt, lehnt sie diese erstmal ab, weil sie darin einen Spitzel der Behörde vermutet. Aber Marla gelingt es, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, und Jenny übernimmt mehr und mehr die Verantwortung für ihr eigenes Leben und das ihres Kindes. Sie tritt auch ihre Haftstrafe vorzeitig an, in der Hoffnung auf einen Mutter-Kind-Platz in einem Frauengefängnis. Ob sich diese Hoffnung erfüllen wird?
Es gibt nicht viele Filme mit süchtigen Frauen als Protagonistin. Jennys schwarz gefärbte Haare, die langen künstlichen Fingernägel, das krass geschminkte Gesicht lassen sie auf den ersten Blick nicht sympathisch wirken. Aber die Regisseurin nähert sich ihrer Figur behutsam an und erreicht – auch dank der herausragenden schauspielerischen Leistung und der exzellenten Bildgestaltung –, dass der Zuschauer hinter der harten Kulisse auch die Verletzlichkeit und die Verletzungen erkennen und Jenny mit Empathie begegnen kann. Und was ich noch bemerkenswert finde: Sehr oft gehen solche Schilderungen prekärer Lebensverhältnisse ja mit Gewalt zwischen den Partnern einher. Dieses Klischee wird hier nicht bedient. Auch Bolle ist liebenswert und könnte ein guter Vater sein, wenn nur nicht die Drogenabhängigkeit wäre.
Der Filmtitel bezieht sich übrigens auf die „vena umbilicalis“, die Nabelschnur-Vene, die Mutter und ungeborenes Kind untrennbar miteinander verbindet.